AM139 – Brief an Walter Gropius
Wien, Samstag, 18. Mai 1912


18 Mai

Mein lieber

Heute vor einem Jahr – was für ein furchtbarer Tag war das für mich! – Dass man das überlebt – davon weglebt – Neues aus dem Leben zu schöpfen im Stande ist!! Dieser herrliche [,]


der so wenig im Stande war – Glück um sich zu verbreiten – und darum selber so einsam – unglücklich war. – Und ich komme hinter alle Geheimnisse der Natur.

Glücklich war er nur bei dort, wo er intensiv war und intensiv konnte er nur in der Arbeit sein[.] Intensität für die Welt der Sinne und Schönheit war ihm nicht gegeben[,]

darum negirte er sie – darum waren ihm auch die Menschen ewig fremd. Auch ich war es – bis auf ein paar blaue Himmelsspaltenmomente[.] —

Kann denn der Mensch nicht Beides haben? Intensität für sein Werk und Intensität fürs Leben –

?


Oder sind das dann die Halben?

Ich habe Dich erkannt – – in Deiner großen Güte und Noblesse – und bitte Dich[,] mir gut zu bleiben – mir zu vertrauen – Deine Blicke nicht von mir zu wenden . . . .  – –

Schreibs mir[.]


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

2 Bl. (4 b. S.) – Briefpapier mit schwarzem Monogramm (Zum Material von Alma Mahler) aus den stilisierten Initialen AMs in Prägedruck (, ).

Beilagen

Umschlag, , Berlin-Wilmersdorf | Nicolsburgerplatz 4 | Herrn Walter Gropius; PSt. (lt. , S. 1140, t 6k20): 19/1 WIEN 117 | 18.V.12 – 6 | * 3a *; rückseitig: Notizen von WG: Rue du Bar | Hotel Mont | dringend Maujeul.

Druck

, S. 114 (fehlerhafte partielle Inhaltsangabe und fehlerhafter Auszug).

Korrespondenzstellen

keine.

Datierung

Schreibdatum: „18. Mai 1912“ (, S. 114).

Datiert durch AM und Poststempel: 18[.] Mai 1912.

Übertragung/Mitarbeit


(Jannik Franz)
(Elke Steinhauser)


A

Heute vor einem Jahr – Am 18[.] Mai 1912 jährte sich erstmals Todestag (vgl. ). Zumindest für den vorliegenden Brief gilt: „mit keinem Wort ging darauf ein, daß dies [18. Mai 1912] auch neunundzwanzigster Geburtstag war“ (, S. 114).

B

? – großes Fragezeichen.

C

die Halben? – vgl. in frühen Tagebüchern den Eintrag vom 12. Mai 1900: „Dann sagte , dass ich eine vollkommen leidenschaftslose Natur bin, dass ich alles halb mache – ich werde eine halbe Musikerin werden, ich werde immer nur halb genießen – und halb heirathen. Das heißt: einen Menschen, der mir gleichgültig ist. […] Und ach, wie recht hat er – nur zu recht. Es ist mein größter Kummer, dass ich eine Halbnatur bin“ (, S. 502).